"Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon." - Aurelius Augustinus (354 - 430 a.d.)

Montag, 15. Oktober 2012

Paraguay - Ein Staudamm und ?

Die meisten Langzeitreisenden Südamerikas machen einen großen Bogen um Paraguay - langweilig, nichts zu sehen, ab vom Schuss - stimmt das wirklich? Wir müssen es herausfinden! Passenderweise grenzt Paraguay ja, wie in unserem vorigen Post beschrieben, in einem Dreiländereck an Argentinien und Brasilien. Also muss man nur eine Brücke überqueren und man taucht in eine andere Welt ein.
 
Man kommt in Cuidad del Este an, der für uns abstossendsten Stadt ganz Südamerikas. So heruntergekommen, dass wir nicht ein einziges Foto geschossen haben - schlechter Start. Die Stadt nennt sich selbst "das größte Einkaufszentrum Südamerikas". Es wird alles angezogen was zwielichtig ist: Drogenhändler, Prostituierte, illegale Casinos, Schwarzmarkthändler... Und alles auf engstem Raum, und ein jeder versucht dich in seinen Laden hineinzuziehen (my friend) und fasst dich von oben bis unten an. Highlight war aber der Waffenverkäufer, der mit seinem Taser (das Ding mit 50 000 Volt) 10cm an deinem Kopf vorbeigeht und ständig auf den Abzug drückt und es voll witzig findet wenn man vor Schreck 2m zurückspringt. Wir haben uns dann doch für eine normale 9mm Pistole entschieden :-)
 
Naja, aber Paraguay hat einen Superlativ: das leistungsstärkste Wasserkraftwerk der Welt - das Itaipu Binacional. Es folgen nun viele Zahlen, aber nur so ist die Gigantomanie zu begreifen.
Hier eine abfotografierte Luftaufnahme des aufgestauten Rio Parana, mit geöffneten Schleusen, wie es nur 10% des Jahres notwendig ist.

Die restlichen 90% sind diese gewaltigen Tore geschlossen (ein jedes 20m hoch) und sämtliches Wasser fließt durch die Turbinen.

10 Jahre wurde insgesamt gebaut, wobei die ersten 3 Jahre nur an der links zu sehenden Umleitung des Rio Parana gearbeitet wurde. Rechts sieht man das ursprünglich Flussbett.

Die Staumauer ist 8km lang und fast 200m hoch. Hier wird dieses Bauwerk nur vom 3-Schluchtendamm in China geschlagen. Insgesamt wurden 40 000 Menschen umgesiedelt (leider wieder mal nur rechtslose Eingeborene), auch hier hält den traurigen Rekord China.

Das sind die Zulaufrohre zu den 20 Turbinen. Jedes hat 10m Durchmesser und es fließt durch jedes einzelne (!) 700m³/sec Wasser. Immerhin die gleiche Wassermenge wie der Inn in Innsbruck führt.
Klar, dass sowas massenweise Besucher anzieht, die in Buskolonnen herangekarrt werden.
Diese Megarutschen sind die Überlaufrinnen von oben gesehen, und leider nur bei Hochwasser geöffnet.


Das Kraftwerk liefert pro Jahr 95 Terrawattstunden (TWh) Strom. Auch hier ein Vergleich: das leistungsstärkste Atomkraftwerk der Welt, Isar 2 in Bayern, liefert 12 TWh. So ersetzt der Itaipudamm ca. 8 solcher Atomkraftwerke. Fast schon lächerlichen die 120 GWh des Innkraftwerkes in Kirchbichl, was 1000x weniger Strom bedeutet.

So ist das Kraftwerk ein Gemeinschaftswerk Brasiliens und Paraguays. Immerhin wird hiermit Paraguay zu 90% und Brasilien zu 20% mit Strom versorgt. Und beide Staaten liegen nun an einem See der doppelt so groß ist, wie der Bodensee.
Auf jeden Fall sehr beeindruckend so etwas zu sehen.

Nach diesem unfassbarem Werk ging es weiter nach Encarnacion, einer Stadt die in einem weiteren Stausee des Rio Parana untergegangen ist, und nun 20m höher wieder aufgebaut wurde.
Die Stadt probierte jedoch das Beste aus der Situation zu machen und legte einen wunderschönen Strand an...

...und so kommt man unverhofft zu einem Sonnenuntergang am Wasser, mitten im Kontinent.

Eigentlich reist man allerdings wegen dieser Ruinen nach Encarnacion, den Jesuitenmissionen.

Die Missionen selbst sind jetzt nicht so der Reisser, was sich allein schon daran beweisen läßt, dass wir die einzigen Touristen des Tages waren. Interessanter ist vielmehr die Geschichte dahinter:

So wurden verschieden christliche Orden vom spanischen König beauftragt die neuen Kolonien zu missionieren, wie auch die Jesuiten. Anders als ihre Glaubensbrüder, verstanden es die Jesuiten jedoch die Eingeborenen ohne Gewalt zu bekehren, und sie von einem Nomadenleben zu erfolgreichen Bauern und Handwerkern zu machen.


So gründeten die Jesuiten hunderte Reduktionen (Dörfer) und schafften es mit Hilfe der Indigenen an Reichtum zu gelangen, was auch Macht bedeutete. Auch waren die unter dem Schutz der Jesuiten lebenden Indianer vor den portugisischen Sklavenhändlern sicher, was ihnen immer mehr Bekehrungswillige zutrieb.

So wurde 1610 mit der Missionierung begonnen und bereits ein Jahrhundert später, hatten die Jesuiten einen Staat im Staate aufgebaut, der von Brasilien, über Argentinien, Paraguay bis nach Peru und Bolivien reichte.

1767 fühlte sich das spanische Herrschaftshaus jedoch in seiner Macht bedroht und vertrieb gewaltsam den Orden innerhalb weniger Tage aus ganz Südamerika.

Und alles was in mühsamer Arbeit aufgebaut wurde, musste von einem Tag auf den anderen verlassen werden. Ohne Führung konnte die indigenen das Werk nicht mehr fortführen. So wurde alles zurückgelassen und es startete der jahrhunderte dauernde Zerfallsprozess.



Tja und das war schon die zweite Touristenattraktion Paraguays, und dann kam die Frage: Und jetzt? Zuerst einmal in Richtung Hauptstadt Ascunsion, doch Fehlanzeige, wieder so langweilig dass wir es nicht fotographisch verewigt hatten.
Mit Gewalt wollten wir aber auch nicht nach etwas Sehenswerten suchen, so beschlossen wir, uns nach Bolivien aufzumachen:
Und auf dem Weg dorthin, erfuhren wir auch, wieso Paraguay nicht viel mehr zu bieten hat.

2/3 des Landes wird nämlich vom Chaco eingenommen, einer savannenähnlichen Landschaft.

26h Busfahrt, und nicht die leiseste Veränderung in der Vegetation.



Einzige Abwechslung, der einzige Fluss im Chaco, und wir haben ihn auf Foto gebannt:-)
Fazit: Wahrscheinlich tuen wir Paraguay unrecht, und ein jeder Paraguayaner wird nur so von seinem Land schwärmen, aber für den normalen Touristen hat das Land nicht so viel zu bieten.
Umsomehr freuen wir uns jetzt auf das indigene Bolivien...

1 Kommentar:

  1. Der obige Staudamm erreicht fast die Dimensionen wie unser damaliges Projekt "Geroldsbachdamm". Wir hatten unsere halben Sommerferien dort verbracht und sogar eine Umleitung gelegt. Eine Turbine für die Stromerzeugung war geplant. Wir wollten "Energie-autark" werden.

    Gegen Ende des Sommers kam der Regen und alles wurde überschwemmt, die Staumauer brach :-(.

    Naja...Jugenderinnerungen aus dem letzten Jahrtausend.

    Matthionson

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