"Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon." - Aurelius Augustinus (354 - 430 a.d.)

Samstag, 8. Dezember 2012

Chile - Osterinsel (Rapa nui)

Aja, der Osterinselpost und das erste Foto ist ein gelbbartiger Weihnachtsmann. Passt ja gut.
Nein wir wollten nur zeigen, dass wir hier, obwohl im Sommer, auch etwas von Weihnachten mitbekommen. Auch wenn richtiges Weihnachtsgefühl ohne Glühwein und Dunkelheit nicht aufkommt.
 
 So jetzt aber zur Osterinsel: Die Osterinsel gilt als der Ort auf der Welt, wo Menschen am (zweit-)weitesten von anderen Menschen entfernt sind. Platz eins geht hier leider an Tristan da Cunha im Atlantik. Trotzdem sind es mehr als 2000km bis zu den Pitcairninseln mitten im Pazifik und 3700km bis zum südamerikanischen Kontinent.
Umsomehr ist es verwunderlich, dass sich vor mehr als 1000 Jahren vermutlich Polynesier in ihre Kanus setzten und diese Reise auf sich nahmen, ohne zu wissen dass es in dieser Ecke überhaupt Land gibt!!
Gut dass es heute einfacher ist dorthin zu kommen, dachten wir. Unwetter verhinderten jedoch unseren Flug (der nächste "Ausweichflughafen" liegt ja wie oben beschrieben etwas entfernt), sodass wir zuerst in Santiago 2 Tage festsaßen, dann zuerst nach Lima/Peru mußten, um dort dann erneut 1 Tag abzuwarten.
Da braucht es starke Nerven sich um 3 Uhr in der Früh brav anzustellen.

Kurz darauf wieder anstellen, diesmal jedoch an der Rezeption im 5* Sheraton palace Hotel! Da passten wir mit unseren dreckigen Rucksäcken perfekt hin :-)

Wir genossen auf jeden Fall die von der Fluglinie gestellte Unterkunft, und aßen uns am ausgiebigsten Frühstücksbuffet unseres Lebens 3h lang satt. Die Vielfresserfreaks lassen grüßen.
 
 ACHTUNG - WARNING - ADVICE
ACHTUNG - WARNING - ADVICE
Dieser Post enthält extrem viel Information. Kann bei Einigen zu Langeweile führen. 
Wer nur Steinköpfe sehen will, sieht sich am Besten nur die Fotos an. Wen die Geschichte dahinter interessiert, nimmt sich die 10min Zeit und liest mit:

So, über Umwege kamen wir dann doch noch in Hanga roa, dem einzigen Ort auf der Osterinsel, an. Und direkt hinter der "Stadt" zeigten sich auch schon die ersten Steinskulpturen, weswegen man eigentlich herkommt.

Die ersten Rapa nui (so nennen sich die Ureinwohner und so heißt die Insel heute auch offiziell) müssen beim ersten Anblick eines  Landes nach mehr als 2000km ziemlich gejubelt haben. Ganz so einfach war es dann aber auch nicht, besteht doch benahe die gesamt Küste aus schroffer Steilküste, unmöglich mit einem Kanu dort an Land zu gehen.

Lediglich eine einzige Bucht mit Sandstrand gibt es an der gesamten Küstenlinie, und klar, dass der Legende nach hier der erste König Hotu matua anlandete. Sprachliche, genealogische (des mit DNA und so) sowie archäologische Hinweise deuten auf eine polynesische Besiedlung aus dem Westen hin, und wiederlegten somit einige Thesen die auf eine Besiedlung aus Südamerika anspielten.

Eine der Protagonisten der Südamerikathese war der berühmte norwegische Archäologe und Abenteurer Thor Heyerdhal, der mit einem nachgebauten Binsenboot 1956 von Peru aus bis auf die Osterinsel segelte und ebenfalls in Anakena, der Sandbucht, anlandete, wo er die umgestürzten Moai (Felsköpfe) vorfand.

Er war auch der erste der einen Moai wiederaufstellte, und das auch gleich mit den Methoden der alten Rapa nui.
So stehen heute an diesem Strand wieder 5 Moai (einer hats nicht aufs Foto geschafft).
Aber was hat es mit denen eigentlich so auf sich?

Das wollten wir natürlich herausfinden, und da wir 3 Tage "verloren" hatten, mussten wir einen Marathon hinlegen um alles anschauen zu können. So leihten wir uns ein Auto aus, und Georg fuhr das erste Mal nach 7 Monaten wieder Auto. Und das auf der Osterinsel, zu Weihnachten, ohne Versicherung...

Jeder Moai hat hier seine Geburtsstätte, dem Rano Raraku Krater.

Kein Wunder dass gleich nebenan dieser Stein liegt. Der für die Rapa nui den Nabel der Welt darstellte.

In Rano Raraku befand sich nämlich der Steinbruch, wo die Moai herausgeschlagen wurden. Und heute noch stehen viele fertige oder halbfertige Steinskulpturen dort herum.

Hals über Kopf wurden offensichtlich die Arbeiten eingestellt, da man immer noch halb herausgeschnitzte Moai sieht. Wie hier ein Kopf links, und ein Kopf rechts, liegend,halb verborgen.

Und erst ein Mensch zeigt die Größe der Skulpturen. (hier rechts von Georg) Mehrere Hunderte (!) liegen am Kraterabhang herum.

Mit diesen kann man beinahe auf Tuchfühlung gehen.

Unglaublich viel Arbeit musste darin investiert worden sein.

Und an jedem Kopf der aus der Erde schaut, hängt ja nocheinmal ein mind. doppelt so großer Körper unterirdisch dran!

Die zwei schiefen Köpfe von Rano Rarako.

Dies stellt eine der ältesten, noch knieende Figur dar. Solche lassen sich in kleinerer Ausführung auch in Hawai oder Neuseeland finden. (ein Beweis der polynesischen Abstammung)
 
Erst die Bewohner der Osterinsel vergrößerten sie im Laufe der Zeit, bis sie, nun aufrecht stehend, beinahe gigantische Ausmaße annahmen.

Die Moai sollen die Ahnenhäuptlinge darstellen, und jedes Dorf/jeder Clan wollte einen noch größeren vor seinem Dorf aufstellen um Macht zu demonstrieren. So reihten sie Figur um Figur auf ihren Altären aneinander...


...und wurden immer größer. Bis zu 26m groß! (man beachte Georg in seiner orangen Jacke)
Dies stellte auch langsam ein logistisches Problem dar, da diese bis zu 150t schwer waren und vom Steinbruch zu den Aufstellungsplätzen transportiert werden mußten. Auch hierzu gibt es nur Spekulationen wie die Einwohner das bewältigten. Auf jeden Fall wurden viele Bäume gebraucht, was zu einer kompletten Entwaldung der Insel führte.

Letzter Schrei in der Sommermode im 17Jhr. war es dann diesen Steinköpfen noch rote Hüte aufzusetzen.

Diese wurden im roten Steinbruch am anderen Ende der Insel hergestellt, wogen bis zu 10t, und mußten auch erst irgendwie hin und dann auf den Kopf gebracht werden.

Und das alles nur um Touristen im 21Jhr. ein Fotomotiv zu bieten.
Nein natürlich nicht, sie bedeuteten Macht für ihre Erbauer und Bewohner.

Die meisten Rapa nui lebten bis ins 20 Jhr. in Steinhöhlen vor ihren Moai.

So schauen auch alle Gesichter immer vom Meer weg, auf das jeweilige Dorf vor sich. Nur diese hier in Akivi schauen aufs Meer gen Westen (ein Beweis dass die Vorfahren aus dem Westen kamen)

Als jedoch der Niederländer Rogeveen als erster Europäer die Insel am Ostersonntag 1722 sah, fand er bereits alle Steinfiguren so vor.
 Wie kam es dazu? Es kam zu vermehrten Stammesfehden auf der Insel, da sich die Nachfahren des Königs als die Herrscher fühlten, was jedoch die anderen Bewohner nicht so toll fanden. Und um ihre Gegner zu schwächen, warfen sie sich gegenseitig die Figuren (ein Machtsymbol) um.
Zur Blütezeit vor Ausbruch der kriegerischen Auseinandersetzungen dürften 10 000 Menschen auf der Insel gelebt haben. Um wieder Ruhe und Ordnung herzustellen wurde ein neuer Kult, der mehr Gleichheit versprach eingeführt.
Dieser Kult hatte im Orongo Krater seinen Ausgangspunkt.

An seinem Kraterrand lag das spirituelle Zentrum der Insel. Von hier aus starteten jedes Jahr die jeweils stärksten Männer eines Clans zu einem Wettkampf. Ziel: eine winzig kleine Insel vor der Küste...

...der hier. Also zuerst das Kliff 300Hm runtergeklettert, rübergeschwommen, drüben wieder rauf, und dann warten. Warten auf die ersten Russschwalben die dort ein Nest mit Ei anlegten, Ei klauen und alles wieder retour. Und wer als erster ein intaktes Ei dem Priester präsentierte, war für ein Jahr der Vogelmann, der Führer der Insel.
Klingt ziemlich fair. Das hat dann allerdings den Verlierern wieder nicht gefallen, und es gab erneut Kriege.
 So war vor Ankunft der Europäer die Gesellschaft auf 5000 Menschen halbiert worden.
Und dann schauten sie plötzlich in weisse Gesichter, was sie zuerst sehr verwundert haben musste.

So sehr, dass sie auf ihre nicht mehr in Gebrauch befindlichen Moai, Schnitzereien der Segelboote anfertigten.

Hier nachgezeichnet, wer es oben nicht gesehen hat.

Tja und anfangs noch freundlich empfangen, war es die "ziviliserte" Gesellschaft, die den Rapa nui beinahe den Todesstoss versetzten (hier der Friedhof der Insel)
 So wurden 1859 alle Männer im "gebrauchsfähigen" Alter von Peruanern gefangen genommen und als Sklaven verkauft (1500 Männer). Erst auf internationalen Druck (die Sklaverei war weltweit schon lange abgeschafft worden) wurden die verbliebenen eingesammelt und zurückgebracht, ganze 14 Männer!!! Alle anderen waren aufgrund der harten Arbeit unter unmenschlichen Bedingungen verstorben.
Was das bedeutete sieht man am besten an der Schrift. Die Rapa nui waren die einzigen Polynesier die eine Schrift entwickelten. Diese wurde von Priestern von Generation zu Generation an ihre Söhne weitergegeben. Aber nachdem unter den 14 Rückkehrern kein Priester mehr war, konnte niemand mehr Lesen oder Schreiben! Und die Entschlüsselung der Schrift ist bis heute nicht gelungen.
(Steinhyroglyphen im Bild oben)
 Schlussendlich nahm Chile die Insel unter dem Vorwand einer Schutzmachtfunktion in Besitz. Die Chilenen waren aber auch keine Unschuldslämmer und schleppten Krankheiten ein, oder verschifften die Bewohner an Land um sie zu "Chilenifizieren".
Der Tiefpunkt der Geschichte ist nun erreicht. Im Jahre 1877 lebten noch sage und schreibe 111 Rapa nui auf der Insel.
Die Insel wurde an eine Wollfirma verkauft und die verbliebenen Einwohner durften sich auf ihr nicht mehr frei bewegen. Die Schafe hatten mehr Rechte als die Einwohner auf ihrer eigenen Insel.
Christliche Missionare machten sich als einzige für ihre Rechte stark... (hier ein Engel a la Rapa nui mit Vogelkopf in der Kirche)
 ...und es dauerte bis 1964 bis sich an dieser Situation etwas änderte. Erst dann wurden sie aus ihrem Gefängnis entlassen, durften sich überhaupt erstmals wieder frei auf der Insel bewegen und bekamen chilenische Pässe.
Heute hat sich die Zahl der Eingeborenen auf ca. 3000 erhöht und dank des Tourismus haben sie es zu einigem Wohlstand gebracht. Auch wenn immer mehr Chilenen auf die Insel ziehen, sind die Rapa nui (den Resten) ihrer Tradition treu geblieben, und versuchen sie an die junge Generation weiterzugeben, und sind stolz darauf zu sein wer sie sind. Spannend das alles hautnah anzuschauen!

So Märchenstunde zu Ende. Die Osterinsel, ein sicherlich außergewöhnliches Reiseziel!!

Das war auch unser Abschluss für 7 Monate Südamerika, und ein 14h Flug trennte uns vor neuen Herausforderungen in Down under. Dazu aber bald mehr!

2 Kommentare:

  1. Hey ihr 2! Danke für den Osterinsel-Geschichts-Crashkurs.Sehr interessant!

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  2. La isla de Pascuas! Que misterioso lugar que bello!
    Y Lima???? mi bella LIma??? jajaja

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